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Presbyterianisch?

“Presbyterianisch” bezeichnet eine Kirchenverfassung, welche ihre historischen Wurzeln in der Schweizer Reformation und der schottischen Staatskirche hat.

Christus - das Haupt der Gemeinde

Das wichtigste Prinzip von presbyterianischen Kirchen ist, dass Christus alleine seine Gemeinde regiert. Die Gemeinde ist das Haus Gottes, das Reich Gottes, Gottes Eigentumsvolk, Abrahams Nachkommen und “der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit”. Dies ist sie aber nur so lange, wie sie dem Wort Christi, der Bibel, gehorcht und Christus alleine anhängt. Die Kirche tut dies, indem sie sich durch Christi Wort und seinen Geist regieren lässt.

Wie kann Christus, der zur Rechten des Vaters im Himmel sitzt, durch sein Wort und seinen Geist regieren? Das Wort Christi wird nicht in erster Linie durch das Lesen “gehört”, obwohl dies auch sehr wichtig ist, sondern indem man die Predigt des Wortes hört, ganz nach dem Grundsatz des 2. Helvetischen Bekenntnisses: praedicatio verbi dei est verbum dei (die Predigt des Gotteswortes ist das Wort Gottes). Zusätzlich hat Christus der Gemeinde Ämter gegeben, welche gemäss seinem Wort die Gemeinde leiten sollen (Apg 20,28 & Eph 4,11-16).

Die Predigt des Gotteswortes ist das Wort Gottes
— II Helvetisches Bekenntnis

Presbyterianische Kirchenstruktur?

Das Wort “Presbyterianismus” kommt von dem griechischen Wort πρεσβύτερος, welches “Ältester” heisst und damit auf eines der Hauptmerkmale von presbyterianischen Kirchen hinweist. Presbyterianische Kirchen werden nicht von einem “irrtumslosen” Oberhaupt, noch von politischen Repräsentanten, noch von individuellen Pfarrern geleitet, sondern von einer Mehrzahl von Ältesten, einem so genannten “Ältestenrat” - ähnlich wie ein “Kirchenrat”. Jede einzelne Kirchgemeinde ist einem solchen Rat unterstellt. Ältester kann werden, wer die biblischen Kriterien von 1. Timotheus 3,1-7 und Titus 1,5-9 erfüllt und von einer lokalen Gemeinde für das Amt berufen wird.

Der Pfarrer ist ebenfalls einer dieser Ältesten. Oft wird ein Pfarrer als ein “lehrender Ältester” bezeichnet und die übrigen als “leitende Älteste” (1. Timotheus 5,17). Dennoch sind beide Klassen von Ältesten auf gleicher Stufe und treffen alle wichtigen Entscheidungen zusammen. In der Regel ist der Pfarrer für das Gebet, die Predigt der Bibel und die Seelsorge zuständig und die leitenden Ältesten sind Laien, welche mit dem Pfarrer die Kirchgemeinde leiten.

Die Ältesten sind zuerst für ihre lokale Kirchgemeinde zuständig. Wegen dem universalen Charakter der Kirche, mit dem einen wahren Haupt - Christus Jesus -, ist eine lokale Kirchgemeinde allerdings nicht völlig unabhängig. Einzelne Kirchgemeinden sind zu diesem einen Haupt hin durch seinen Heiligen Geist miteinander verbunden. Eine solche Einheit ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern wirkt sich praktisch auf die Leitung der Kirche aus. Christus soll die ganze Kirche durch sein Wort und seinen Geist regieren. Somit können sich Älteste von lokalen Kirchgemeinden, gemäss dem Konzil in Jerusalem, welches uns in der Apostelgeschichte 15 beschrieben wird, für einen übergeordneten Ältestenrat - oder für eine Synode - treffen.

Bei den Synoden unterscheiden wir zwischen den regionalen Synoden und den General-Synoden. Die regionalen Synoden finden regelmässig das Jahr hindurch statt. Dabei treffen sich die Ältesten einer spezifischen Region zu einem Ältestenrat analog zu den biblischen Regionen Ephesus, Antiochien und Jerusalem, welche kaum jeweils nur eine Gemeinde vor Ort hatten, sondern mehrere. Dennoch wird die Gemeinde von den einzelnen Regionen immer als ein Ganzes gesehen und nicht als unabhängige Einzelgemeinden (Apg 15,4). General-Synoden werden oft einmal im Jahr durchgeführt.

An solchen Synoden werden Entscheidungen über die Lehre, den Pfarrerdienst oder Disziplinarfälle getroffen. Die Entscheidungen sind für die lokalen Gemeinden bindend, soweit diese nicht klar gegen biblische Grundsätze verstossen.

Historische Wurzeln in der Schweiz und in Schottland

Presbyterianische Kirchen haben ihre historischen Wurzeln in der Schweizer Reformation und der schottischen Staatskirche. In den meisten Fällen können die Begriffe “presbyterianisch” und “reformiert” als Synonyme betrachtet werden, wobei “presbyterianisch” hauptsächlich die Kirchenstruktur und “reformiert” die Lehren betont.

Die Reformation im frühen 16. Jahrhundert hatte ihren Ursprung mit Martin Luther in Wittenberg (Deutschland) und in Zürich mit Huldrych Zwingli. Die Reformatoren verstanden unter der Reformation ein Zurückbesinnen auf die absolute Autorität der Heiligen Schrift, auf Jesus Christus als einziger Weg Gott zu kennen, sowie auf eine Wiederherstellung der Kirchenverhältnisse der frühen Gemeinden, wie sie uns in der Apostelgeschichte berichtet werden.

Die Reformation in Deutschland ist generell besser bekannt, was teilweise auf den interessanten Menschen Luther zurückzuführen ist. Wenn es allerdings um den Einfluss von den reformatorischen Lehren geht, kann die Schweizer Reformation als erfolgreicher bezeichnet werden, was vor allem für Grossbritannien und Nord-Amerika zutrifft. Einer der Gründe hierfür ist die Verfolgung unter Heinrich VIII und der Königin “Bloody Mary” in England. Während beiden Herrschaften wurden Exil-Engländer (und Schotten) in den Kirchen in Genf unter Johannes Calvin und in Zürich unter Heinrich Bullinger willkommen geheissen. Als die Verfolgung unter König Edward VI (1547-1553) und später unter Königin Elizabeth (1558-1603) nachliess, sind die meisten von diesen Männern wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt. Die Zeit in der Schweiz hat viele von diesen Männern tief beeindruckt und der Wunsch nach einer “Church of England” nach Schweizer Vorbild wuchs in ihnen.

Dieser Wunsch brachte manche von diesen Reformatoren, dazu sich gegen den Monarchen in religiösen Fragen zu stellen, wie in dem berühmten Beispiel des Streites über die Gewänder des Klerus. Dabei beriefen sich beide Seiten auf Calvin oder Bullinger. Die Angerufenen ermahnten beide Parteien zur Mässigung, da sie um den Erfolg der Reformation in England fürchteten. Dennoch gaben sie auch den Rat, die englische Kirche weiter nach dem Wort Gottes zu reformieren. Bullinger schrieb zum Beispiel zum König Edward VI in der ersten solchen Kontroverse: “Möge ihre Majestät fortfahren, alles zu reformieren, sei es gross oder klein, gemäss der Norm des allein wahren Wortes Gottes.”

Möge ihre Majestät fortfahren, alles zu reformieren, sei es gross oder klein, gemäss der Norm des allein wahren Wortes Gottes.
— Heinrich Bullinger an König Edward VI, 1551

Die Männer, welche sich für eine weiterführende Reformation in England einsetzten, konnten sich zunächst nicht durchsetzen. Somit legten sie ihren Fokus auf die Predigt des Wortes Gottes und ermutigten junge Männer in die Politik zu gehen. Schliesslich wurde in den politischen Turbulenzen am Anfang des 17. Jahrhunderts und dem Konflikt zwischen König Charles I und dem Englischen Parlament, die Westminster Versammlung einberufen. Zu diesem Zeitpunkt war die Mehrheit des englischen Parlaments von der Notwendigkeit einer weiterführenden Reformation überzeugt, was manche auf den genannten Fokus der Predigt des Wortes zurückführten. Diese Überzeugung spiegelte sich in der Zusammenstellung der Westminster Versammlung wieder. Die Mehrzahl davon waren reformierte Presbyterianer. Ebenfalls wurden Delegierte der schottischen Kirche eingeladen, welche bereits nach Genfer Vorbild aufgebaut wurde. Das Ziel der Versammlung war die 39 Artikel der englischen Kirche zu präzisieren und das Glaubensbekenntnis der englischen Kirche an den Bekenntnissen der reformierten presbyterianischen Kirche in Schottland und der reformierten Kirche auf dem Kontinent (inkl. Schweiz) anzupassen.

Das Resultat dieser Versammlung war die Niederschrift des Westminster Bekenntnisses, sowie des kleinen und grossen Katechismus. Diese Dokumente und weitere, welche von der Versammlung produziert wurden, kann man durchaus als letztes grosses Bekenntnis der reformierten Theologie bezeichnen. Es repräsentiert den Höhepunkt von fast 150 Jahren Reformationslehre, welche von Schweizer, süddeutschen, holländischen, schottischen und englischen Theologen beeinflusst wurde. Die Anglikanische Kirche unter Charles II kehrte zwar wieder zu den 39 Artikeln zurück, dennoch blieb das Westminster Bekenntnis bis heute das Bekenntnis der schottischen Staatskirche und von grossen Teilen der reformierten Kirchen im englischen Sprachraum.